
Im Corona-Jahr 2020 ist alles etwas anders. So fanden auch die Strube-Feldtage nicht wie gewohnt statt, sondern virtuell als Live-Stream. Der zweite Teil wurde am Mittwoch, 18. November, in Form einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der Zuckerrübenbranche live ausgestrahlt.
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Zusammenfassung des Expertengesprächs.
Es diskutierten Ronald Fischer von Strube Saatzucht, Samuel Jenni von der Zuckerrübenfachstelle, Julia Bommer von Stähler und Landwirt Roland Baltisser unter der Leitung von Jonathan Heyer vom Landwirtschaftlichen Institut Grangeneuve. Sie blickten zurück auf das Rübenjahr 2020, sprachen über Pflanzenschutz, Züchtung und natürlich über den aktuellen BLW-Entscheid gegen die Notzulassung des Beizmittels Gaucho.
Roland Baltisser ist Zuckerrübenpflanzer aus dem Zürcher Unterland und ist in seiner Region noch kaum betroffen von der virösen Vergilbung und dem Syndrome Basses Richesses (SBR). „Wir in der Ostschweiz haben in den letzten zwei Jahren seit Gaucho verboten wurde, noch nicht viel gemerkt vom Fehlen der Insektizidbeizung. Wir mussten zwar auch gegen den Erdfloh und die Blattläuse spritzen, hatten da aber eine genügende Wirkung.“

Die neuen Krankheiten wandern derzeit vor allem vom Westen her in die Schweiz ein und führen in den betroffenen Gebieten zu massiven Ertragsverlusten. Was das heisst, verdeutlicht Samuel Jenni, Geschäftsführer der Schweizerischen Fachstelle für Zuckerrübenbau: „Das SBR, das bereits seit drei Jahren in der Schweiz auftritt, reduziert den Zuckergehalt um 2 bis 5 Prozent. Zum ersten Mal trat 2020 bei uns auch die viröse Vergilbung auf. Diese führt zu 30 bis 50 Prozent Rübenertragsverlust. Treten beide Krankheiten zusammen auf ist das verheerend.“
Viel gelernt in letzten 2 Jahren
Seit Mitte November ist klar, dass Gaucho in der Schweiz verboten (Medienmitteilung SVZ) bleibt. „Es dauert 720 Tage bis der Wirkstoff abgebaut ist. Das ist sehr lange“, weiss Jonathan Heyer. „Zudem ist es bienengiftig.“ In der EU haben zwar 12 von 19 Ländern Gaucho wieder notfallmässig zugelassen, aber befristet auf maximal drei Jahre und mit hohen Auflagen. Ronald Fischer weiss: „In Belgien setzen nur 20 % der Pflanzer Gaucho mit diesen Auflagen wieder ein.“ Strube sei daran Kapazitäten in Forschung und Entwicklung aufzubauen um den Problemen züchterisch zu begegnen.

Tatsache ist, dass man überrascht wurde von den Auswirkungen der Gaucho-freien-Saat, dass man aber auch bereits viel dazu gelernt hat. So ist es als Vorbeugung gegen Erdfloh-Frass sehr wichtig, dass die Rüben perfekt gesät werden. „Genügend tief und genügend rückverfestigt“, sagt Jenni. So laufen sie rasch auf und wachsen dem Erdfloh davon. Falls es doch zu starkem Befall kommt, können die Erdflöhe nach dem Einholen einer Sonderbewilligung mit Pyrethroiden behandelt werden. Der Nachteil dieser Spritzung ist, dass auch Nützlinge getötet werden. Laut Julia Bommer hat Stähler in Versuchen eine gute Wirkung der Tonerde Kaolin (Produkt Surround) gegen die 1. Generation Erdflöhe nachweisen können.
Neue Mittel gegen Blattläuse
Das nächste Probem im Rübenjahr sind nach den Erdflöhen die Blattläuse. Sie sind es, die die Vergilbungs-Viren übertragen und verteilen. Besonders gefährlich sei die geflügelte, grüne Blattlaus, die als adultes Tier überwintert und früh die Viren zu übertragen beginnt, die sie im Herbst aufgeladen hat. Die schwarzen Blattläuse verteilen dann die Viren weiter im ganzen Feld. Die Herausforderung bei der Blattlausbekämpfung ist, den richtigen Zeitpunkt für die Behandlung zu treffen, da der Blattlausflug mehrere Wochen andauert.
Neu sind in den Rüben die Produkte Gazelle und Movento zur Blattlausbekämpfung zugelassen. „Sie werden in der Pflanze verteilt und wirken als Kontakt- und Frassgift“, erklärt Julia Bommer. „Die Wirkung dauert rund zwei Wochen an.“ Laut Jenni kann Movento 2 Mal eingesetzt werden und Gazelle 1 Mal. „Wir sind daran einen Warndienst aufzubauen um gezielt und regional Behandlungen empfehlen zu können.“

Gegen das Bakterium, das die Krankheit SBR auslöst, gibt es mit Rhinema (Hilleshög) eine tolerante Sorte. Chemische Mittel gegen die Grasflügelschilfzikade, die das Bakterium überträgt, gibt es keine.
Wie lange es denn gehe, bis es Sorten mit Toleranzen gegen die viröse Vergilbung gebe, will Jonathan Heyer von Strube wissen. Dazu Fischer: „Das geht leider relativ lange. Es gibt fünf verschiedene Viren, die die Vergilbung hervorrufen können und die Züchtung steht erst am Anfang, da sie auch überrascht wurde vom Gaucho-Verbot.“ Ausserdem sei ja die Viröse Vergilbung nicht das einzige Problem. „Eine Sorte sollte heute multitolerant gegen Cercospora, Rhizomania, Nematoden und neu auch gegen Vergilbungsviren sein und dazu noch ansprechende Erträge liefern. Das ist nicht ganz einfach zu züchten.“
Klima wie früher in Südfrankreich
Mit der Klimaerwärmung nimmt auch der Pilzbefall in den Rüben zu. „Das Klima am Genfersee entspricht heute dem Klima von vor 30 Jahren in Südfrankreich“, weiss Jenni. Gleichzeitig sei der Cercospora-Pilz resistenter und damit aggressiver geworden. Die Fachstelle werde deshalb künftig die Sorten ohne Fungizideinsatz prüfen. „Die Züchter müssen uns pilztolerante Sorten liefern.“
Gemäss Stähler sind auch die Pflanzenschutzmittelfirmen daran neue Mittel gegen Cercospora zu suchen. Oft handelt es sich dabei um bekannte Getreidefungizide, die getestet werden. Das Problem sei, dass die Zuckerrübe weltweit flächenmässig keine wichtige Kultur ist.

Nebst den Insektiziden und Fungiziden wird auch die Palette an klassischen Rübenherbiziden kleiner. „Wieso setzt Strube nicht auch auf sulfonylharnstofftolerante Rüben?“, fragt Moderator Heyer. „Conviso ist zweifellos eine interessante Sorte, die unser Mitbewerber auf den Markt gebracht hat“, so Ronald Fischer von Strube.
„Wir glauben aber nicht, dass dies eine langfristig nachhaltige Lösung ist. Schosserrüben sind ein grosses Problem und die Bildung von Resistenzen ist sehr wahrscheinlich.“ Strube versucht mit nachhaltigem Rübenanbau zu kontern. „Wir sind eine Kooperation mit der französischen Firma Naïo-technologies eingegangen um kameragesteuerte Hackgeräte zu entwickeln, die Rüben in allen Stadien erkennen.“
Rübe der Zukunft
Tatsächlich werden nachhaltige Lösungen in der Landwirtschaft von Gesellschaft und Politik immer stärker gefordert und die Landwirte stellen sich auch darauf ein. Roland Baltisser könnte sich vorstellen die Rüben künftig zu hacken. Er will Stand heute sicher noch weiter Rüben anbauen. „Bei uns ist die Zuckerrübe nach den Kartoffeln immer noch die wirtschaftlichste Kultur. Ausserdem gefällt mir die Herausforderung, die die Rübe bietet und sie ist wichtig für die Fruchtfolge.“
Wie der Zuckerrübenanbau in Zukunft aussehen wird, hängt für Samuel Jenni in erster Linie von der Politik und ihren Anforderungen ab. Julia Bommer vermutet, dass der Rübenanbau noch komplexer wird. „Man muss genau hinschauen und die Mittel, die man zur Verfügung hat gezielt einsetzen.“
Für Ronald Fischer ist klar: „Es braucht Lösungen aus der Züchtung, der Beratung und der Politik. Aber es braucht auch euch Landwirte. Bleibt bei den Rüben, auch wenn ihr jetzt ein oder zwei schlechte Jahre hattet. Reduziert allenfalls eine Teilfläche, aber hört nicht ganz auf. Nur so hat der Rübenanbau in der Schweiz eine Chance.“